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Wer in Hessen als Sozialarbeiter*in mit staatlicher Anerkennung arbeiten will, muss nach dem Studium nochmal ein halbes Jahr unbezahlt arbeiten. 

Nach drei Jahren Bachelorstudium der Sozialen Arbeit ist es endlich an der Zeit für erste berufliche Erfahrungen in einem Job mit geregeltem Einkommen. So zumindest die Theorie. Um so richtig durchzustarten, fehlt nur noch die staatliche Anerkennung für Sozialarbeiter*innen auf Grundlage der Sozialberufeanerkennungsgesetze der jeweiligen Bundesländer. Durch mein Studium an der Universität Kassel gilt für mich die hessische Sonderregelung: Im Gegensatz zu vielen anderen Hochschulen, gab es bei mir mit dem Bachelorzeugnis nicht automatisch auch die staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter*in. Die dazu nötige Praxisphase von einem Jahr erfolgte bei mir zur Hälfte während und zur anderen Hälfte nach dem Studium. In der Theorie sogar ein Vorteil, weil nach dem Studium für Praktika zumindest Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht. Eine noch bessere Bezahlung im Praktikum zur staatlichen Anerkennung verspricht explizit der sogenannte „Praktikantentarif“ nach TVöD-SuE mit 1826,21 € (Stand: Tarifrunde 2018/2019/2020). Dies ist zwar immer noch nicht viel für einen Berufsabschluss (Bachelor), aber immerhin etwas bis zum Erreichen der staatlichen Anerkennung.

Tarifbezahlung ist kein „Muss“

Von der Praxis ist dies teilweise jedoch weit entfernt. So ist die Bezahlung im Praktikum nach Tarif häufig nur ein „Kann“ und eben kein „Muss“. Erschwerend für die Suche nach einem bezahlten Praktikum, kam bei mir noch der Umzug in ein anderes Bundesland hinzu. In Schleswig-Holstein wird die Praxisphase überwiegend während des Studiums und ohne Bezahlung absolviert. Für mich wurden offene Türen, durch den Wunsch nach einer angemessenen Bezahlung, leider schnell zu verschlossenen Türen. Die meisten Träger der Sozialen Arbeit können zwar nachvollziehen, dass ich nach meinem Studium ja schließlich irgendwie meinen Lebensunterhalt bestreiten muss und in der Folge für meine Arbeit auch entlohnt werden muss. Allzu oft heißt es dann aber konkret, dass momentan kein Budget dafür vorhanden ist oder keine Stelle dafür vorgesehen ist. Das heißt: Viele Träger können oder wollen kein bezahltes Praktikum zur staatlichen Anerkennung ermöglichen. (Anmerkung d. Redaktion: siehe auch xxx). Ein weiteres Problem ist, dass vielen Mitarbeiter*innen in den entsprechenden Personalabteilungen die Bezahlung für Praktikanten nach Tarif (TVöD) überhaupt kein Begriff ist. Insofern ist mir nicht ersichtlich, warum dieser Tarif, trotz Erwähnung der Praktika von Sozialarbeiter*innen, in der Praxis scheinbar kaum angewandt wird. Laut den Sozialberufeanerkennungsgesetzen muss der Zugang zur Erreichung der staatlichen Anerkennung jedem*r Bewerber*in nach Abschluss des Studiums ermöglicht werden. Dies bezieht sich aber offensichtlich nur auf den Zugang zur dafür erforderlichen Prüfung.

Ausdauernde Suche und viel Glück

In meinem Fall fand die ernüchternde Suche nach drei Monaten und zahlreichen Absagen durch Zufall ein glückliches Ende. Ein freier privater Träger ermöglicht mir nun mein Anerkennungspraktikum mit einer Bezahlung nach dem eigenen Haustarif  in Anlehnung an den  TVöD-SuE. Für die Zukunft wäre es aus meiner Sicht wünschenswert, dass Träger der Sozialen Arbeit durch entsprechende Tarife dazu verpflichtet werden, regelmäßig Stellen für bezahlte Anerkennungspraktika zu schaffen.

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